<109>jährlich von einer Handvoll Leute aufgehalten und zum Rückzug in ihr eigenes Gebiet gezwungen wurden? Es schien nicht mehr die unter Karl XII. so gefürchtete Nation zu sein. So heruntergekommen war sie seit der Änderung ihrer Verfassung1. Die schwedischen Truppen führten Krieg, ohne Magazine zu errichten, ohne Proviantwagen für ihre Lebensmittel zu besitzen. Um sich ernähren zu können, mußten sie sich in lauter kleine Abteilungen zerstückeln. Immer bot sich Gelegenheit, sie einzeln zu schlagen. Aber das war nicht der Hauptgrund ihrer Unzulänglichkeit. Die Wurzel des Übels lag bei ihrer Armee, in der Spaltung zwischen den Generalen und Offizieren und in dem Haß der Parteien gegeneinander, der stärker war als der Haß auf den Feind. Wahrscheinlich werden also ihre Mißerfolge im Kriege so lange andauern, als sie die Mißstände ihrer Regierungsform nicht beseitigen.

Platen war, wie erwähnt, in vollem Anmarsch auf Sachsen, und so ist hier der Ort, die diesjährigen Ereignisse bei der Armee des Prinzen Heinrich nachzuholen. Wir verließen den Prinzen im Lager bei Meißen und den Katzenhäusern, Daun in seinen Lagern auf dem Windberg und in Dippoldiswalde und die Reichsarmee zwischen Hof und Plauen. Prinz Heinrich sollte Daun im Auge behalten und ihm, falls er sich nach Schlesien wandte, folgen2. Der Prinz beschloß, sich nicht vom Elbufer zu entfernen, um den Fluß zugleich mit dem Feinde überschreiten zu können. Um inzwischen die Österreicher nicht zu Atem kommen zu lassen und sie gewissermaßen in die Defensive zu werfen, ließ der Prinz alle österreichischen Detachements, die nur ein wenig von Dauns Lager entfernt standen, beunruhigen oder angreifen. Unter anderm vertrieb Kleist3 aus Freiberg die vier sächsischen Dragonerregimenter, gerade als sie sich dort festsetzen wollten. Er verfolgte sie bis Dippoldiswalde und benutzte die Gelegenheit, um bei Marienberg unvermutet über das Korps Török herzufallen, das er zum Rückzug nach Böhmen zwang. Unterdes machte Seydlitz auf Ried Jagd. Ried verließ seine Stellung bei Kesselsdorf und zog sich eilig in das Lager auf dem Windberg zurück. Ruhig sahen die Österreicher diesen kleinen Reiterstückchen zu. Sie hielten sie für belanglos, ja sie dachten nicht einmal an Vergeltung.

Bis zur Eröffnung des Feldzuges in Schlesien verharrte Daun in Untätigkeit. Er beschränkte sich nur darauf, jede unmittelbare Verbindung zwischen den beiden preußischen Armeen abzuschneiden, und detachierte zu dem Zwecke Lacy, der über die Elbe ging und sich bei Großdobritz in der Nähe von Großenhain aufstellte. Das hatte für Daun den Vorteil, daß die preußischen Kuriere zur sicheren Bestellung ihrer Briefe große Umwege machen mußten. Hierdurch entstanden zwar fürs nächste keine großen Unzulänglichkeiten, aber es konnte sich etwas sehr Schlimmes daraus ergeben. Brach nämlich Daun nach Schlesien auf, so konnte Prinz Heinrich die Elbe nur weiter flußabwärts überschreiten und verlor dadurch mindestens einen Tagesmarsch. Ferner


1 Vgl. Bd. II, S. 31.

2 Vgl. S. 89.

3 Vgl. S. 24.